Montag, 19. Oktober 2009
Die Handlung, das Leben selbst, in seiner Gesamtheit, auf die Probe zu stellen, mag als Anmaßung erscheinen, doch kann dies, wenn es mit innerer Reinheit ausgeführt wird, einfach nur Ausdruck des intensiven Wunsches sein, die Realität kennenzulernen.

Es befreit auch potentiell von einer evtl. eingebildeten Verantwortung für andere. Da wir die Realität noch gar nicht kennen, braucht man sich dem Gedanken der Verantwortlichkeit auch nicht zu unterwerfen. (Es ist so oder so häufig ein Angstgedanke...)

Wer es besser weiß, weil er bereits jetzt im Einklang mit sich selbst den Willen Gottes unmittelbar in sich spürt, der kann ja dem gemäß leben.

Ich aber werde wohl erstmal zu diesem letzten und extremsten Mittel greifen müssen, um sowohl das Leben als auch mich selbst kennenzulernen. Ich werde dieses Mittel wiederholt immer wieder und wieder zu einer größeren Konsequenz treiben müssen.

Der Gedanke des "Glaubens" ist zum Verhängnis für uns geworden, wenn wir nicht begreifen, dass die Handlung, das Leben ganz und gar auf die Probe zu stellen, durchaus nicht im Widerspruch dazu steht. Es ist eine psychologische Unmöglichkeit, ganz und gar zu "glauben" ohne jemals in seinem "Glauben" durch Gott selbst bestätigt worden zu sein. (Johannes 4,48: "Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubet ihr nicht.")

Die Absicht, etwas auszuprobieren, zeugt in jedem Fall schon von einem gewissen Maß an "Anfangsglauben". Und mehr kann eben nicht verlangt werden, bin ich der Meinung.

Und lautet die eigentliche religiöse Hauptdisziplin nicht: Hingabe?

Wer bereit ist, wie Petrus auf das Wasser zu steigen, und einen gewissen Restzweifel in sich mit der Konsequenz begegnet zu sagen: "Dann werde ich eben untergehen und sterben, wenn es nicht funktioniert." - der darf sich möglicherweise durchaus auf eine gewisse Hingabe berufen.

Letztlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Was er sich zu glauben traut, was er sich nicht zu glauben traut, was er sich zu fordern traut, was er von sich zu weisen traut...


Permalink  | 1 Kommentar  | kommentieren

Dienstag, 13. Oktober 2009
liegt in der Gewissheit über diesen Satz:

Die Freude Gottes ist absolut.

Der angeführte Spruch ist evtl. noch anpassungsbedürftig, doch ist ein kleines bißchen Unperfektheit hier vielleicht kein Problem, ja vielleicht erfüllt sie sogar einen Zweck.
Das Wesentliche für mich ist jedenfalls, dass ich zu dem "Schalter" gefunden habe, der mich wieder ganz - d.h. ungespalten - auf den einen Weg führen kann. Der Schalter ist der folgende Satz - wer ihn sagen und mitgehen kann, kann sich auf den entsprechenden Weg befördern:

Die Freude, die durch Meditation, durch Hingabe und Kontaktaufbau zum "Geist", gefunden werden kann, ist vollkommen.

Hier einen Punkt zu machen hinter dem Wörtchen "vollkommen", war das, was ich eben nicht konnte.
Aus irgend einem Grund bin ich nun wieder dahin zurückgekehrt und es stellt sich in der Tat wieder so eine Grundhaltung gegenüber dem Leben und der spritituellen Praxis ein, wie ich sie vor ca. 10 Jahren hatte. Der Weg liegt nun sehr klar und direkt vor mir. Und all das "sekundäre Wissen" über Spiritualität, mit dem ich mich in den letzten Jahren praktisch zwangshalber beschäftigt habe, wird wieder an seine ihm gemäße Stelle gerückt. Es ist hilfreich aber vielleicht nicht unbedingt notwendig.


Permalink  | 1 Kommentar  | kommentieren

Sonntag, 11. Oktober 2009
"I'm sorry, this is maybe a little weird now, but I have another free ticket for the opera house: Air Supply."

Plötzlich stand da ein junge Dame vor mir. Ich war gerade auf einer Bank mit dem Verspeisen meines Hamburgers beschäftigt gewesen und hatte nicht bemerkt, wie sie sich angenähert hatte.
Was hatte sie gerade gesagt?
"...free ticket... opera house" war das einzige, das auf Anhieb hängen geblieben war.
Ein aus Mangel einer besseren Idee geäußertes "Sorry?" ließ sie sich wiederholen. Diesmal machte sie ein, zwei Sätze mehr, doch es blieb wiederrum nicht viel mehr als "...free ticket... opera house" hängen. Ich war viel zu perplex, um richtig denken zu können.
Ich wiederholte in fragendem Tonfall, was ich verstanden hatte. Die Dame bejahte es und fügte wieder ein paar Details bezüglich der Veranstaltung an, die wieder komplett an mir vorbei gingen.
Ich wandte mein Blick von ihr ab und versuchte einen klaren Kopf zu gewinnen. Vom allerersten Moment an, in dem die Worte "free ticket" und "opera house" in mein Bewusstsein gefallen waren, hatte sich mein Denken aufgespalten in zwei Denkrichtungen. Die eine Hälfte meines Hirns beschäftigte sich bereits mit der Frage, was dies nun schon wieder zu bedeuten hatte - die andere versuchte praktisch zu bleiben und behielt im Blick, dass ich dieser Dame möglichst bald ein "Yes" oder "No" schuldig war. Gleichzeitig hielt ich die sachliche Seite dieser Entscheidung aber für ziemlich unwichtig.
"Hang on... Can I walk a little with you?", sagte ich etwas ungeschickt. Nachdem sie sich nun oft genug wiederholt hatte, wollte ich sie nicht so vor mir stehen lassen, während ich nachdachte. Außerdem fiel mir beim Laufen das Denken leichter. Ich stand also auf und wir gingen ein paar Meter.
Mir wurde schnell klar, dass es im Grunde nur ein kleines Problem für mich gab.
"So normally, I would immediately say yes to you now... but at the moment I am living at a place quite far away from central Sydney. It takes an hour to get to the closest train station and then I even need to be picked up by a car to get to the place. I have an appointement at this train station at 10 p.m. and if I miss that I don't know how to get home... "
Ich konnte noch nichteinmal richtig ausreden, als sie mir die Lösung für mein Problem in die Hand drückte:
"You can go to Perth with it." - Sie reichte mir einen Taxigutschein für beliebig viele Kilometer; wahrscheinlich eine VIP-Sache. Madame hatte die Konzertkarten und den Gutschein selbst erst wenige Tage zuvor geschenkt bekommen. Sie arbeitete im ältesten Pub von Sydney, genannt Fortune of War, und zwei Bandmitglieder der Gruppe Air Supply waren dort ein Bier trinken gewesen.
Ich blieb stehen. Bereits den Taxigutschein in der Hand haltend (in der linken immernoch meinen Hamburger) stand ich nun vor ihr. Ich zog meine Stirn kraus und schaute sie fragend an. Sie lachte kurz und grinste.
Nicht mehr als zehn Minuten später saß ich mit ihr im Sydney Opera House.
Und dann lernte ich Air Supply kennen...



In der Pause ein kurzes erstes Gespräch darüber, warum ich eigentlich in Sydney bin.
"Well, that's way too complicated. I would need to talk for half an hour.", sagte ich. Es war gewiss eine Übertreibung, doch entsprach sie meinem Gefühl.
"Give me a general impression.", sagte sie.
Ich überlegte kurz und sagte dann: "I am following signs."
Dann gab ich ihr die wesentlichsten Informationen. Es gelang mir irgendwie, es so knapp und sachlich darzustellen, dass es glaubwürdig war und sich nicht allzu sonderbar anhörte.




Nach dem Konzert spazierten wir eine Weile durchs nächtliche Sydney. Sie zerstreute relativ früh irgendwelche Aussichten, diese Nacht noch mehr zu unternehmen. Sie hatte am nächsten Tag zu arbeiten und hatte für den Abend bereits eine Abschiedsparty für einen Freund eingeplant, bei der sie unbedingt fit sein wollte. So stiegen wir dann bald ins Taxi, um erst sie und dann mich nach Hause zu bringen. Es war dies die logische Reihenfolge, denn sie wohnte 10 Minuten weit weg und ich eine Stunde. Während sie aber so im Taxi saß, kam ihr zu Bewusstsein, dass es doch eigentlich schade um den schönen Gutschein wäre, wenn sie jetzt nur so wenig nutzen würde. Da sie diesen Gedanken geäußert hatte, schlug der freundliche Taxifahrer sogleich vor, dass er doch erst mich Zuhause absetzen könne und danach sie. Madame stimmte dem zu, und dies hatte letztlich zur Folge, dass der Taxifahrer so glücklich über sein Riesendeal zu Feierabend war, dass er uns zu McDonald's einlud: Drive Through im Taxi...

Und so kam es, dass ich an einem einzigen Tag drei mal eingeladen wurde, nur weil ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort saß.
Es war dies der Tag, an dem ich mich zum ersten Mal traute, an die Tür "meines Amfortas" zu klopfen und aber leider niemand da war.


Permalink  | 2 Kommentare  | kommentieren


Theme Design by Jai Nischal Verma, adapted for Antville by ichichich.